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Es werden Posts vom 2017 angezeigt.

Mind the Gap

                                                                      Mind the Gap!   „Mind the Gap“, das ist die Aufschrift an den Bahnsteigkanten der Londoner U-Bahn. „Beachte die Lücke zwischen Zug und Bahnsteig“. Eine unangenehme Vorstellung, da hineinzurutschen, aber ein gutes Bild für „The Gap“. Der Spalt, in den man unerwarteter Weise hineingerät. Die Lücke, in der das Unvorhersagbare passiert. Der Weg von der Londoner U-Bahn bis zur Überschrift für eine unserer Trainings-Gruppen ist gar nicht so weit. Hier ist die Geschichte: Es begann mit der Heilpraktikerausbildung in Stuttgart, vor mehr als zwei Jahrzehnten. In den ersten Jahren konzentrierten wir uns auf die reine Wissensvermittlung. Wir wollten unsere Kursteilnehmer für die Überprüfung beim Amtsarzt fit machen. Wir lernten bald, dass niemand erfolgreich eine Heilpraxis führt allein aufgrund theoretischer, medizinischer Kenntnisse und einer bestandenen Prüfung. Dazu brauchte es mehr. Wir bauten in der

Wird leicht übersehen: Der soziale Ort eines Klienten

Alwin S. kam im Sommer 2015 zu mir, in einer Lebenskrise, wie er es selbst nannte. Seine Freundin hatte ihn vor kurzem verlassen. Auf der Arbeit gab es nur Stress und nach der Trennung wollte er sich eine neue, kleinere Wohnung  suchen. Diesen Zustandsbericht zu erarbeiten, nahm die gesamte erste Stunde in Anspruch. Am Ende der Sitzung war deutlich: Alwin erlebte dasselbe wie die überwiegende Mehrzahl aller Menschen, die sich in einer Lebenskrise befinden. Es stimmte in drei grundlegenden Bereichen nicht mehr: Beruf, Beziehung, Wohnung. „Mein Ding mit den Frauen nervt mich total. Vor sechs Jahren bin ich nach fünfjähriger Ehe geschieden worden. Seitdem hatte ich drei oder vier Beziehungen, weiß gar nicht mehr genau. Ich scheine die Richtige einfach nicht zu finden. Oder vielleicht liegt es ja an mir selbst. Ich glaube ich bin beziehungsunfähig.“   Diese Befürchtung oder diese Überzeugung bestimmte die Arbeit in den folgenden Sitzungen. Die Mutterbeziehung kam ins Bild. Er

Von der Biographie zur Psychotherapie. Therapieformen entspringen aus Lebensläufen

Nach dem Studium der Lebensläufe von Rogers und Perls fasste ich zusammen: „Wie das Leben, so die Therapie“. Aus dem wilden, wechselhaften Leben des Frederic Salomon Perls entsprang eine Therapie, in der es vor allem um Lebendigkeit geht. Aus der Erfahrung eines religiös orthodoxen Elternhauses entstand bei Carl Rogers der lebenslange Drang, sich für die freie Entfaltung des Denkens und Fühlens einzusetzen. Von Künstlern wusste man schon immer, dass sich ihr Leben in ihrem Werk widerspiegelt. Wusste man, dass dies auch für die Begründer großer Therapieformen gilt? Bei den Vätern der Gestalt- und der Gesprächstherapie ließ sich das, glaube ich, gut zeigen.  Für andere bekannte Psychotherapeuten hat Gabriele Fürst-Pfeifer eine sehr umfassende und aufschlussreiche Arbeit vorgelegt: „Biographie und (un)bewusste Berufswahlmotive von Psychotherapeuten“. (München, Münster, Berlin, 2013). Sie berichtet, dass Milton Erickson , „amerikanischer Psychiater und Psychotherapeut, der die Be

Carl Rogers und der Unterschied zwischen Konversation und therapeutischem Gespräch

  Carl Rogers (1902-1987) fand eine Form des therapeutischen Gesprächs, wie sie vor ihm noch niemand praktiziert hatte. In den 1940er Jahren, in den USA, nannte er seine Methode „the non-directive therapy“, die nichtdirektive Therapie. Später gab er ihr den Namen „client-centered therapy“, klientenzentrierte Therapie. Beginnend in den 60er Jahren fand   die Arbeitsweise von Carl Rogers auch in Deutschland Verbreitung. Hier wird sie Gesprächstherapie genannt. Dieser Begriff führt immer wieder zu Missverständnissen. Es entsteht der Eindruck, Therapeut und Klient unterhalten sich. Sie führen eine, vielleicht sogar angeregte Konversation. Wer sich nicht näher mit der Materie befasst, sagt sich natürlich: „Eine Konversation? Dann bin ich auch Therapeut. Komm mal morgen Nachmittag vorbei. Trinken wir ein Tässchen Kaffee miteinander und danach bist du geheilt.“ Die Frage heißt: Kann ein Gespräch therapeutisch wirksam sein? Die Antwort lautet: Ja, allerdings nur unter bestimmten Vorauss