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Begegnungen mit der Seele

 

  


9.Februar 2023, 8.00 Uhr OP-Termin.

Das volle Programm. Vollnarkose, mehrere Stunden chirurgische Aktivitäten. Immerhin, zum Aufwachen hatten sie mich bereits in mein Zimmer zurückgebracht. Eine Schwester saß an dem kleinen Tischchen und beobachtete mich. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass man mir eingeschärft hatte, ich solle auf keinen Fall den Versuch machen, alleine aufzustehen. Mit der Bitte um Hilfe ließ ich mir Zeit. Als es soweit war, zeigte mir die Schwester wie ich die Beine über die Bettkante schieben sollte und half mir auf. Ich stand etwa eine Sekunde lang, dann sass ich wieder im Bett. Keine Kraft! Ich hatte keine Kraft, mich aufrecht zu halten.

Im letzten und im vorletzten Jahr hatte ich bereits Operationen erlebt, aber dieser Zustand der totalen Schwäche war mir neu. Und neu war mir auch, dass ich einen sehr direkten Kontakt zu meiner Seele hatte. Schon seit einigen Jahren war ich davon überzeugt, dass es die Seele gibt, aber ich bin nicht auf die Idee gekommen mit ihr zu reden. In diesen Tagen begann das.

Ich konnte nirgendwo hin, hatte also reichlich Zeit zu schreiben. Und notierte:

Pforzheim, 10. Februar 2023. 

Heute ist meine Seele ein goldenes Flämmchen. Es schwebt und tanzt vor meiner Stirn. Ich sag zu ihr: dieser Körper ist doch dein Körper. Ich sorge für ihn so gut ich kann, dachte ich jedenfalls. Ob ich vor meiner Operation etwas hätte anders machen können oder sollen? Ich habe versucht es herauszufinden, komme aber nur auf psychische Versäumnisse oder einfach psychische Faktoren. Es dreht sich immer wieder um Verletzungen und ich erzählte meiner Seele ausführlich wo ich glaubte verletzt worden zu sein.

Sie hörte mir sehr geduldig zu und irgendwann sagte sie: Du könntest deine Ego-Verletzungen jetzt mal einfach loslassen. Tut dir nicht gut, das immer wieder empört aufzuwärmen. Sie haben dich doch wieder zusammengeflickt. Alles ist wieder an seinem Platz. Lass uns weiter in der Welt sein. Lass uns leuchten. Ich bin gern bei dir, in deinem Körper. Es ist noch nicht Zeit zu gehen, hörst du? Mein Eindruck ist, dass wir noch einiges vorhaben, ehe wir diesen Planeten verlassen.

Am liebsten wäre ich deine Geliebte, weisst du, deine innere Geliebte, die auf deinem Schoß sitzt wie Shakti bei Shiva, die dich anschaut ohne Pause, die sich an deinem Anblick satt-trinkt, die ein Glücksgefühl erfährt und verströmt. Lass mich deine Geliebte sein, in jedem Augenblick dieses Lebens und ich möchte, dass du nach mir schreist, dich nach mir sehnst und mich zu dir zurückholst, jedes Mal wenn du mich verloren hast.

Wir waren schon mehrmals ganz nah beieinander: Als du 18 warst und im Morgengrauen aus der Straßenbahn gestiegen bist, die dich von der Geliebten zurück in deinen Vorort gebracht hatte, hast du die Vögel singen hören und da ging dir der aufgehende Morgen durch Mark und Bein als stündest du im heiligsten Tempel, wie du es viele Jahre später in Indien erlebt hast. Auf deiner Haut konntest du noch die Berührung deiner Geliebten spüren und ihren Geruch immer wieder in dich aufnehmen. Wir beide schwebten gemeinsam durch die Tage. Was die Lehrer im Unterricht erzählten hast du gar nicht gehört. Deine Realität war die Einheit. Das da draußen war die Zersplitterung.

Dann warst du lange und sehr intensiv mit der Welt beschäftigt, aber immer wieder trafen wir uns und wir vereinigten uns. Als du 27 warst hattest du für dich, deine beiden Kinder und deine Frau ein Ferienhäuschen in Holland gemietet. Deine Frau und die Kinder waren schon zu Bett gegangen. Du bist noch einmal hinausgegangen, um dich an die Böschung der nächsten Gracht zu setzen und ein wenig Klarheit in dein Inneres zu bringen. Nach einer Weile hast du einen Schulterstand gemacht, sehr lange und auf einmal wusstest du: diese Lebensform ist vorbei. Du hast mich gehört und von da an gingen wir wieder enger durchs Leben. Aber, ich will mehr, will was jetzt gerade passiert. Ich will, dass ich dich einnehme, du mich aufnimmst, ganz, wie die Götter es ihren Lieblingen tun. (Lustig, oder? Aber so spricht meine Seele zu mir.)

Pforzheim, 11.Februar 2023. 

Heute Morgen sagte sie mir: Ich bin sehr weiblich, bin dein Einfühlungsvermögen, deine Spiritualität. Du mit deinem Ego und deinem Körper bist sehr männlich– zusammen sind wir ein Ganzes. Ich will nicht, dass du deine Männlichkeit verlierst, deine Stärke, deine Überzeugungskraft. Manchmal, in der Arbeit, in Sitzungen oder Gruppen, bist du so in mir und ich in dir, dann kann jeder fühlen, dass du ganz bist, dass wir als Einheit auftreten, das sind meine Glücksmomente und deine.

Als ich nach dem Mittagsschlaf noch gar nicht richtig wach war, sagte sie zu mir: Meditation ist Medizin. Also nicht vergessen! Außerdem, jedes Mal wenn du dich zur Meditation hinsetzt ist das immer ein Rendezvous mit mir. Die Meditation ist somit Medizin und ein Rendezvous mit der Seele.

Pforzheim, 12. Februar 2023. 

Heute ruht meine Seele ganz still in mir, füllt mich gänzlich aus, genauso wie sie es gestern wollte. Sie hat eine Botschaft: kümmre dich gut um deinen Körper, gib ihm viel Ruhe, du wirst die körperliche Kraft brauchen für das, was noch vor uns liegt. Du wirst den Menschen helfen, mit Bewusstheit vertraut zu werden und du wirst ihnen Meditation näherbringen.

Pforzheim, 13. Februar 2023. 

Sie sagt: du ruhst, das ist gut, wenn du ruhst, ruhe ich in dir. Ich füll dich ganz aus. In diesem Augenblick kann dir auch bewusst werden, dass ich niemals auf die äußeren Umrisse meines/deines Körpers reduziert werden kann. Ich bin immer um so vieles grösser. Zum Beispiel hier: ich bin so groß wie dieses Zimmer, so groß wie diese kleine Klinik, so groß wie ganz Pforzheim, so groß wie der Schwarzwald, wie ganz Deutschland, wie Europa, wie der eurasische Kontinent, so groß wie die ganze Welt, wie unser Sonnensystem, wie unsere Galaxie, einfach kosmisch, universell.

Ich bin deine göttliche Form, du bist meine weltliche Form. Du bist sichtbar, ich bin unsichtbar, jedenfalls für die meisten menschlichen Augen.

Stiersbach 23. März 2023. 

Komplett eingehüllt. Sie war wie ein Kichern um mich her. Sie sagte: sei ein Jahr und 8 Monate alt. Es ist Ende Juni 1945 du bist in den Bergen, du rennst den großen Balkon am Bauernhaus rauf und runter oder spielst im Garten. Wenn deine Mutter ins Bild kommt, geht die Sonne auf. Um dich sind deine 3 Schwestern, die jede eine andere Beziehung zu dir hat. Das kümmert dich noch nicht. Du findest es toll, dabei zu sein, dazuzugehören. Du fühlst dich geliebt und du spürst, dass sich alle freuen, wenn sie dich sehen.

Mit dieser Energie umhülle ich dich heute. Und ich sorge dafür, dass du immer wieder in Kontakt kommst mit Menschen. Ich weiß, dass du sehr gut alleine sein kannst und dich immer wieder am liebsten ganz zurückziehen würdest, aber da wäre kein Wachstum möglich. Deine Schüler sind wichtig für dich, sie sind wie ein Lebenselixier. Ich sorge dafür, dass sie dir nicht ausgehen, das ist wichtig, denn es ist noch nicht Zeit zu verwelken.

Stuttgart 8. April 2023.  

Wie fühlt sich die Seele heute an? Wie eine Säule, die aus dem Beckenboden aufsteigt, bis zur Kehle. Schimmert wie rostfreier Stahl. Ein Durchmesser von 10 bis 12 cm. Jetzt ist es wie ein Rohr das nach unten offen ist und in alle Tiefen reicht, unten orange Lava, brodelnd, wo sie in meinen Körper eintritt ist es reine Energie.

Stuttgart 25. Juni 2023 eine Rückbetrachtung: 

Vielleicht ist der Ruf nach der Seele nichts anderes als die Erinnerung an Bewusstsein. So weitet sich mein Inneres jedesmal wenn ich meine Seele rufe. Meine Brust geht auf und die Wände in meinem Oberstübchen treten auseinander. Der Verstand geht auf den, ihm angestammte Platz: als Diener, und durch die so entstehenden weiten Räume weht der frische Wind des sich ankündigenden Bewusstseins. Seele hat mich umgeben, mich erfüllt, sich als Essens erwiesen und am Ende wird deutlich, der Blick auf die Seele war immer auch ein Blick nach innen und durch das Innen hindurch öffnete sich dann der Zugang zum raum- und zeitlosen, zum universellen Bewusstsein. Wirklich hier und jetzt sein heißt überall und mit allem gleichzeitig sein. Seele ist ewig, Bewusstsein ist ewig. Das Paradoxe und zugleich das Tolle ist, dass dies alles in unserem kleinen Körper Platz hat und widerhallt. Die Schwingung des Lebens ist die Resonanz des kosmischen Bewusstseins im lebenden Organismus. Wir erleben das als Seele.

Satiam Nadeen sagte: Das Bewusstsein ist sich seiner selbst am nächsten im menschlichen Körper. 




Rajan 8.8.2024

 

  

 

 

 

 

 

 

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