Solange ich in meiner Klause sein konnte; war alles gut. Gut?
Was sage ich? Alles war easy, alles ging leicht, ich war im Einklang mit Himmel
und Erde und mir.
Tatsächlich war die Klause eine von fünf palmblattgedeckten
Lehmhütten, die hier für Besucher gebaut worden waren. Es gab eine Pritsche zum
Schlafen, einen Tisch und einen Meditationssitz draußen unter dem
vorgezogenen Dach. Die Naturtoilette befand sich einige Dutzend Meter weiter
seitwärts auf dem ausgedehnten Gelände des Ashrams. Frischwasser zum Waschen und
Trinken gab es weiter oben, dort wo sich Quellwasser in einem Steintrog sammelte.
Ich stand mit der Sonne auf, drehte eine grosse
Joggingrunde. Dann waschen an der Quelle, danach die erste Tasse Tee.
Anschließend eine Stunde stilles Sitzen, eine Viertelstunde bewusstes Gehen
und wieder Sitzen, bis das Mittagessen gebracht wurde. Vegetarische Kost, und
obwohl indisch, nur mild gewürzt. Sie stellten das Essen auf den Tisch unter
dem Vordach, gesprochen wurde nichts. Am Nachmittag derselbe Rhythmus: Sitzen,
schweigen, gehen, schweigen, sitzen. Es gab eine längere Mittagspause wegen der
Hitze, und von Tag zu Tag wurde das Sitzen leichter und das Denken langsamer. Meine Gliederschmerzen verschwanden nach und nach. Es gab Augenblicke von
Einssein mit allem, Momente tiefer Stille. Das Zeitgefühl kam mir abhanden
und ohne meinen Stundenwecker hätte ich nicht gewusst, wann es Zeit ist vom Sitzen zum Gehen zu wechseln.
Eines Tages, als der Helfer wieder das Mittagessen brachte,
machte der Mann zu meiner großen Überraschung den Mund auf und sprach: „This is the last day of your retreat
Swami tonight you please come to communal canteen for dinner.“ Dann ging er
gemessenen Schrittes unter den alten Bäumen davon, Richtung Haupthaus. Und
damit endeten auch peace and happyness.
Ich musste mich wieder mit allen anderen Ashramarbeitern und
Gästen in langen Schlangen zum Essen anstellen. Am nächsten Morgen wurde mir,
wie allen anderen Besuchern hier, eine Arbeit zugewiesen und da dachte ich
noch: das machst du easy, du bleibst ganz bei dir, du lässt dich aus dieser
wunderbaren Ruhe nicht rausbringen.
Sie teilten mich zur Gartenarbeit ein. Unterwegs, zwischen
zwei Tätigkeiten, drängelte hinter mir ein Helfer mit einer Schubkarre. Als ich
nicht sogleich ausweichen wollte, rammte er mir den kantigen Schutzbügel des Schubkarrenrades in die Ferse. Ich jaulte auf,
schnellte zu ihm herum, war bereits auf dem Siedepunkt. Da sagte der
Aushilfsgärtner nur ganz trocken: “Watch your anger Swami.“ Nicht nur meine
Gelassenheit war dahin, ich konnte noch nicht einmal meinem Ärger Luft machen.
Ich stand da, paralysiert, während er weiter seiner Arbeit nachging. Für
Stunden konnte ich nicht aufhören mir den Kopf darüber zu zerbrechen was ich passenderweise hätte sagen können und
dass es doch auf jeden Fall eine bodenlose Unachtsamkeit war mich zu rammen
und ich konnte gar nicht aufhören mich darüber zu empören, dass mich jemand aus
Unachtsamkeit verletzt und dann Achtsamkeit von mir gefordert hatte.
Was ich sagen will ist: Solange wir im stillen Kämmerlein
sitzen, lesend, schreibend, Musik machend oder einfach schweigend, solange ist
das Leben ein Geschenk und voller Wunder. Aber dann kommt der Hunger
angekrochen und dann kommen alle möglichen anderen Bedürfnisse und Wünsche aus
deinen Tiefen, die du dir nicht selbst erfüllen kannst und dann musst du deine
Isoliertheit verlassen und raus gehen und Kontakt machen und genau dann fangen
die Probleme an.
Die Rückkehr in den Alltag des indischen Ashrams zeigte mir, wie ungenügend meine sozialen Fähigkeiten ausgebildet waren.
Niemand hatte mir wirklich beigebracht, wie das geht: bei mir selbst zu bleiben,
wenn ich mit anderen bin. Ich wusste nur, wie man bei sich ist, in den eigenen
vier Wänden oder wie man außer sich ist, wenn man sich in Gesellschaft bewegt.
Es kann doch nicht sein, dass ich mich permanent verleugnen muss, wenn ich in
Beziehung gehe…
…und dann verlässt man den Ort seines Rückzugs, weil man Lust auf Freunde hat und schon fliegt einem das Leben wieder um die Ohren.
…und dann verlässt man den Ort seines Rückzugs, weil man Lust auf Freunde hat und schon fliegt einem das Leben wieder um die Ohren.
Wie geht Zusammenleben? Wie können wir so miteinander
umgehen, dass es jedem dabei gut geht? Das ist eine Frage, die mich beschäftigt, seit ich denken kann. Und ich habe ein Berufsleben damit verbracht,
Antworten auf diese Frage zu finden.
wir haben uns ein Lehrvideo angeschaut |
So vieles lässt sich in organisierten Gruppen lernen.
Ausbildungsgruppen, Selbsterfahrungsgruppen, Therapiegruppen, Wohngruppen,
Arbeitsgruppen, Jugendgruppen, Selbsthilfegruppen, Reisegruppen,
Meditationsgruppen, Tanzgruppen, Singgruppen, Sportgruppen. Über kurz oder
lang kommt immer das soziale Thema zur Sprache und dann fragt sich: Wie
wollen wir miteinander umgehen? Die organisierte Gruppe kann vor allem deshalb für jeden Teilnehmer zur
Wachstumschance werden, weil die
Gruppenmitglieder sich in einer Art Aquarium befinden, nicht im offenen Meer.
In einem überschaubaren sozialen Raum, in dem nur eine begrenzte Anzahl von Faktoren das Zusammenleben bestimmen, lässt sich das Miteinander viel eher einüben als auf freier Wildbahn. In jeder neuen Gruppe finden sich wieder neue Antworten auf die alte Frage nach Kommunikation und Kooperation.
In einem überschaubaren sozialen Raum, in dem nur eine begrenzte Anzahl von Faktoren das Zusammenleben bestimmen, lässt sich das Miteinander viel eher einüben als auf freier Wildbahn. In jeder neuen Gruppe finden sich wieder neue Antworten auf die alte Frage nach Kommunikation und Kooperation.
Genau darum liebe ich es Gruppen zu leiten oder besser,
Gruppen zu begleiten seit mittlerweile 55 Jahren. Es ist jedes Mal ein
bisschen anders und es ist immer wieder etwas dabei, was ich so noch nie
gesehen, nie gehört, nie erlebt habe.
Rajan Roth
http://www.the-gap.info/
Rajan Roth
http://www.the-gap.info/
http://www.gestalttherapie-esslingen.de/
Seufz! Danke fürs Teilen Deiner eigenen Erfahrung. Die Frage, wie ich bei mir bleiben und trotzdem in Kontakt gehen kann, beschäftigt mich gerade im Moment auch sehr, weil ich sehr dazu neige, mich mit allen und allem fast wie von selbst zu verbinden und ich plötzlich Schwierigkeiten habe, mich selber zu spüren.
AntwortenLöschenUnd jaaa, die Gruppe. Ich finde es auch total interessant, mich selber, die anderen als Menschen in der Gemeinschaft und auch die Gestaltgruppe als Ganzes in der Entwicklung zu erfahren.
Und all diese spannenden Fragen: Wie bin ich in der Gruppe? Welche Rolle nehme ich ein? Was tun die anderen? Was fasst mich besonders an, wenn ich den anderen zuhöre? Wo gibt es Spannungen und wieso? Was passiert, wenn sich die Spannung entlädt und es kracht? Wo fühle ich mich besonders verstanden?
Und im Vergleich zum Anfang ist die Gruppe schon so viel offener geworden, so viel lebendiger! Was fa noch kommen mag???
Freue mich riesig, Teil dieser Gruppe zu sein, die sich zusammen auf die Reise gemacht hat! Und im Oktober geht sie weiter. Geil!